"Partizipation und Teilhabe von Kindern sind ein zentraler Schlüssel zur Qualität im Ganztag"
Das Team der SAG NRW sprach mit Francoise Westenberg und Leif-Erik Neugebauer, Ansprechpartner:innen beim LWL-Landesjugendamt für das Thema Ganztagsbildung im Primarbereich.
Fachberater:innen für die Ganztagsbildung im Primarbereich – wie lässt sich Ihre Tätigkeit beschreiben? Wer fragt Sie an und mit welchem Anliegen?
Unsere Fachberatung im LWL-Landesjugendamt unterstützt die örtlichen, öffentlichen sowie freien Träger der Jugendhilfe bei der (Weiter-)Entwicklung und Umsetzung von kommunalen Ganztagskonzepten, die den Rechtsanspruch ab 2026 erfüllen und gleichzeitig qualitativ hochwertig sind. Besonders häufig werden wir bei Fragen zur Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule, zur Qualitätsentwicklung sowie zur Umsetzung des neuen Rechtsanspruchs auf Ganztagsförderung angefragt. Zudem beraten wir zu spezifischen Querschnittsthemen wie Sozialraumorientierung, multiprofessionelle Zusammenarbeit und Reduzierung von Bildungsungleichheiten.
Unsere Arbeit zielt darauf ab, die Träger vor Ort darin zu unterstützen, ganzheitliche Bildungs- und Betreuungsangebote zu schaffen, die den Bedürfnissen von Kindern gerecht werden. Zu diesem Zweck bauen wir Brücken zwischen den verschiedenen Akteuren und bringen die jugendhilfespezifische Perspektive in die Gestaltung des Ganztags ein. Dabei fungieren wir als Schnittstelle zwischen den kommunalen Akteuren und dem Land NRW.
Was fördert aus Ihrer Sicht die Beteiligung und Mitwirkung von Kindern in der Ganztagsbildung?
Partizipation und Teilhabe von Kindern sind ein zentraler Schlüssel zur Qualität im Ganztag. Sie erfordert Strukturen, die Kindern echte Mitsprache ermöglichen und durch regelmäßig eingesetzte verschiedene Beteiligungsinstrumente verankert sind. Die entsprechend benötigten Rahmensetzungen sind im Vorfeld durch die Verantwortlichen auf kommunaler sowie auf Schulebene zu schaffen.
Ein Fokus gilt dabei der inklusiven Gestaltung von Beteiligungsformaten, um allen Kindern Mitgestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen. Von besonderer Relevanz sind dafür vertrauensvolle Beziehungen, welche die Basis dafür legen, dass sich Kinder in ihren Meinungen ernst genommen fühlen.
In der Praxis beschränkt sich die Partizipation von Kindern leider oft darauf, Themen einzubringen oder Feedback zu geben. Um das Potenzial von echter Mitgestaltung auszuschöpfen, sollten Kinder aktiv in konkrete Planungen einbezogen werden – sei es bei der Gestaltung von Angeboten, der Einrichtung von Räumen oder sogar bei der Auswahl außerschulischer Kooperationspartner.
Sie begleiten Kommunen bei der Umsetzung einer kooperativen Ganztagsbildung. Was ist dabei besonders relevant für die Akteure vor Ort?
Eine erfolgreiche Ganztagsbildung setzt voraus, dass alle Akteure – Schulträger, Schulen, Jugendämter und freie Träger – eng zusammenarbeiten und ein gemeinsames Bildungsverständnis teilen. Dafür braucht es klare Rollen- und Aufgabenverteilungen, die in Kooperationsvereinbarungen verbindlich festgelegt werden.
Besonders wichtig ist die Verzahnung von Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung. Diese integriert die Bedarfe der Kinder und Familien in die kommunale Bildungsplanung. Ein zentrales Element ist dabei der Aufbau von Steuerungsgruppen, die interdisziplinär arbeiten und regelmäßig reflektieren, ob die Angebote den lokalen Bedürfnissen gerecht werden.
Was ist Ihre Vision für eine kindorientierte Ganztagsbildung, auch mit Blick auf den Rechtsanspruch?
Unsere Vision ist eine Ganztagsbildung, die alle Kinder – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft oder Behinderung – erreicht und ihre individuellen Potenziale fördert. Der Ganztag sollte ein Ort sein, der formales Lernen mit non-formalen und informellen Bildungsangeboten verbindet und dabei die Interessen der Kinder in den Mittelpunkt stellt.
Mit Blick auf den Rechtsanspruch wünschen wir uns, dass Ganztagsangebote nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ ausgebaut werden. Dies erfordert eine enge Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule in den Kommunen sowie weiteren außerschulischen Akteuren, um die wirkungsvollen Potenziale multiprofessionellen sowie sozialraumorientierten Handelns zu nutzen. Darüber hinaus bedarf es ausreichend qualifiziertes Personal und flexible Strukturen, die Raum für Partizipation und Kreativität lassen. Eine kindorientierte Ganztagsbildung bedeutet auch, Familien zu unterstützen und soziale Teilhabe zu fördern.